Wenn man heutzutage von Tracht spricht, dann denken viele Menschen im ersten Moment an das Dirndl und die Lederhose, also die oberbayerische Gebirgstracht. Diese Gebirgstracht hat sich mit der Zeit auch in Gebieten außerhalb des Alpenraums verbreitet.
Heute wird zwischen sechs unterschiedlichen Arten von Gebirgstrachten unterschieden: die Berchtesgadener Tracht, die Chiemgauer Tracht, die Isarwinkler Tracht, die Inntaler Tracht, die Werdenfelser Tracht und die Miesbacher Tracht.
Als „die bayerische Tracht“ können aber auch die Gebirgstrachten nicht bezeichnet werden, da es in ganz Bayern viele Variationen der Tracht gibt, die sich von Altbayern, über Franken bis Schwaben hinweg unterscheiden. So wird neben der oberbayerischen Gebirgstracht heutzutage auch in anderen Gebieten, wie z.B. Franken, die jeweilige Alttracht gepflegt und wiederbelebt. In Mittelfranken hat z.B. die Trachtenforschungsstelle des Regierungsbezirks eine Kollektion fränkischer Tracht entworfen.
Die Tracht ist in Bayern keine alltägliche Kleidung. In Oberbayern und München wird sie jedoch öfters getragen, teilweise auch im Alltag. Hier ist es üblich, bei festlichen Anlässen und Feiern Tracht zu tragen.
Das Dirndl
Beim Dirndl handelt es sich eigentlich um das Arbeitsgewand von jungen Mägden („Diernen“), die auf einem Hof in Österreich oder Bayern dienten. Deshalb war dieses Kleid auch möglichst einfach; es sollte strapazierfähig sein und es wurden Leinen- oder Baumwollstoffe verwendet. Es bestand aus einem Leiblgwand, dem heutigen Dirndlkleid, das man über dem Hemd trug. Dazu kam eine Schürze, die meist aus Bettwäsche gemacht war. Diese Arbeitskleider waren einfarbig und hatten nur selten Muster oder gar Verzierungen.
Erst um 1930 wandelte sich das Aussehen des Dirndls. Frauen aus der Stadt entdeckten das Dirndl beim Urlaub oder Besuch auf dem Land und machten es für sich „stadttauglich“. Die Dirndl wurden bunter, bekamen Verzierungen und aufwändige Verarbeitungen. Auch in Filmen aus den 60ziger Jahren, die in Bayern spielten, wurde das Dirndl präsentiert und somit populär gemacht. Die normale trendige Mode wurde durch die Dirndl-Optik beeinflusst; Kleider wurden trachtenmässig mit Pfuffärmeln und Schürzen ausgestattet.
Heutzutage ist das Dirndl wieder voll in – wer einmal das Oktoberfest im München besucht hat, kann hier eine Dirndl-Modenschau erleben.
Es gibt sie in allen Variationen, von kurz bis lang, bunt oder einfarbig, schlicht oder auffallend. Tüll, Spitze, Verzierungen; das Dirndl kommt heute oft edel daher und ist teilweise leider auch überfrachtet. Der Trend geht zum individuellen Dirndl, das bunter und ausgefallener wird. Peppige Farben und neue Stoffe werden verwendet. Die Länge des Dirndls sollte mindestens knielang sein. Aber natürlich gibt es auch „Mini-Dirndls“, die in letzten Jahren wieder in waren bzw. noch in sind und die bereits in den 60er Jahren getragen wurden. Fast bodenlang war die Dirndlmode in den 1980ern. Generell geht das Dirndl natürlich mit der Mode und passt sich den aktuellen Trends an.
2010 wurde in Nürnberg anlässlich der „Trachten-Nacht“ ein besonderes Modell präsentiert: das angeblich teuerste Dirndl der Welt des Trachtenherstellers Angermaier aus München. Das schöne Stück kostet 100.000 Euro, ist aus reiner Wildseide in rot und grau und mit 150.000 Swarovski-Steinen bestückt.
Einen Überblick über die Vielfalt des Dirndls in der heutigen Zeit bietet Amzon: hochwertige Dirndl (Anzeige*)
Die Lederhose und der erste Trachtenverein
Die Lederhose ist der Klassiker für die Männer. Sie ist seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wieder trachtentauglich. Diese kurze Lederhose war um 1800 in Mode, etwas später dann verschwand sie wieder bis zu ihrer modischen Rückkehr. Die begann 1883, als der Lehrer Joseph Vogl und seine Stammtischfreunde in Bayrischzell gegen die sich durchsetzenden Lodenhosen und den Verfall der Traditionen protestierten und sich deshalb althergebrachte kurze lederne Arbeitshosen anfertigen ließen. Sie schlossen sich mit ihrem Anliegen zusammen und gründeten eine Interessengemeinschaft – den ersten bayerischen Trachtenverein.
Für das Anziehen der Lederhosen (Anzeige*) erhielten sie Spott und Tadel von Kirche und Gemeinde, jedoch unterstützte König Ludwig II. diese Bewegung, da er ein Trachtenanhänger war. In der folgenden Zeit wurde die Lederhose vom Adel bei der Jagd getragen, was natürlich wiederum dazu beitrug, dass sie nun in Mode kam. Vor allem die Operette „Im weißen Rössl“ trug zum Lederhosen-Boom bei. Waren vor 1880 die Lederhosen lang und wurden mit Stricken in der Taille zusammengehalten, wurden sie nun mit Eichen- oder Weinlaubmotiven versehen. Edelweiß und Enzian zierten oft die Hosenträger, der Sattel war mit einem Spruch versehen, am Gesäß gab es eine runde Sattelnaht und die Bundweite konnte über einen Zwickel verändert werden.
Traditionell wird die Lederhose aus Hirsch- oder Gamsleder gefertigt. Unterschiede gibt es in der Länge der Hose; anfangs war sie lang, aus dem 17. Jahrhundert stammt die Kniebundhose und bei den Sennern und Bauern im Gebirge musste die Hose kurz sein, um so die nötige Beinfreiheit zu haben. Außerdem gibt es noch die Stiefel-Lederhose mit engen Hosenbeinen und die Plattlerhose, die eng ist und kurz über dem Knie endet. Lederhosen gelten als äußerst robust, langlebig und werden mit dem Alter immer schöner.
Auch heutzutage fertigen Handwerksmeister der Säcklerzunft diese Hosen an. Oft handelt es sich dabei um Unikate; von der Wahl des Leders bis zum Zuschneiden und zum Hosenträger. Getragen werden die Lederhosen dann mit den entsprechenden Wadlstrümpfen; je nach Trachtenverein variieren diese in Farbe und Muster.
Gamsbart – ein bayerischer Hutschmuck bei Männern
In manchen Regionen in Altbayern und Österreich gehört ein Gamsbart (Anzeige*) auf einem Hut zur männlichen Tracht. Der Gamsbart ist ein auffälliger Hutschmuck und ein schöner Blickfang – je länger die Haare des Gamsbartes sind, umso wertvoller ist er. Es gibt Trachtenvereine, in denen der Gamsbart als Hutschmuck für die Männer Pflicht ist.
Material, Herstellung und Kosten
Ein Hutbuschen besteht meist aus Gams,- Hirsch- oder Dachshaaren, wobei das Gamshaar als die beste Qualität gilt. Beim echten Gamsbart wird das Grannenhaar am Rücken des Gamsbocks verwendet. Auch der Dachsbart wird aus dem Rückenhaar des Tieres hergestellt, wo hingegen der Hirschbart aus der Halsmähne des Tieres gewonnen wird. Auch die Wildhaare von Thar-Ziegen, Mufflon oder Wildsau werden zu Bärten verarbeitet.
Das Binden des Gamsbartes aus Wildhaaren ist eine Kunst, die nur wenige richtig beherrschen. Für das Ausrasieren und Waschen der Haare bis hin zum Binden werden viele Stunden Arbeitszeit benötigt. Es gibt professionelle Bartbinder, aber auch manche Jäger fertigen Gamsbärte an. Das Bartbinden selbst ist eine reine Handarbeit und es werden keine Maschinen dafür eingesetzt.
Für einen Bart werden viele Haare benötigt: ein großer Bart besteht aus ca. 450 Büscheln mit jeweils rund 300 Haaren. Der Preis für Gamshaar ist hoch; ein Trachtler, der seinen Hut mit einem Gamsbart schmücken will, muss tief in die Tasche greifen. Je nach Größe kann ein schönes Exemplar bis zu 2.500 Euro kosten. Dieser stolze Preis setzt sich aus dem aufwändigen Anfertigen des Bartes und den sehr hohen Kosten für das Gamshaar zusammen. Ein entscheidender Punkt für den Preis des Gamshaares ist die Länge: ein Bart mit der Länge von 15 cm kostet in etwa halb so viel wie ein Bart mit Länge von 18 cm. Seltene Barte mit einer Haarlänge von 20 cm findet man meist nur in Ausstellungen oder bei Wettbewerben. Der Preis für einen solchen Bart liegt bei ca. 5.000 Euro.
Aber auch kostengünstigere Alternativen zum Bart aus Gamshaar werden angeboten, wie z.B. Hut-Bärte aus Mufflon-Haaren.
Geschichte des Gamsbartes
Populär wurde der Gamsbart durch Erzherzog Johann von Österreich (1782 – 1859), der sich als Gamsjäger Haare des Tieres auf den Hut als Trophäe aufsteckte. Dadurch brachte er den Gamsbart in Mode. Prinzregent Luitpold (1821-1912) trug ebenfalls gerne diesen Hutschmuck.
Gamsbart-Olympiade
Seit 1960 findet ein Wettbewerb um den schönsten Gamsbart statt. Diese Gamsbart-Olympiade findet alle zwei Jahre statt, abwechselnd in Bayern und in Österreich.
Bei der Gamsbart-Olympiade werden die schönsten Hutbuschen der Bartbinder aus Gams-, Hirsch- und Dachshaar prämiert. Jeder Bart wird von einer fachkundigen Jury genau bewertet. Ausschlaggebend für eine Medaille sind die Länge und die Qualität der Haare, die Optik an der Spitze der Haare (heller Reif), die Dichte und der Gesamteindruck, also auch die Arbeit des Bartbinders.
Die Teilnehmer kommen natürlich aus Bayern, aber auch aus Österreich, Italien oder Slowenien.
Die Trachtenvereine
Heute gibt es ca. 1000 Heimat- und Volkstrachtenvereine in 25 Gauverbänden, die das bayerische Kulturgut erhalten und vor allem auch den jungen Leuten weiter vermitteln. Diese Vereine organisieren ganzjährig die verschiedensten Veranstaltungen und pflegen somit das Brauchtum von der Tracht über das Schuhplatteln bis zum Volkslied.
Wichtige bayerische Gauverbände der Trachtenvereine:
Oberpfälzer Gauverband
Trachtenverband Unterfranken
Bayerischer Waldgau
Dreiflüsse-Trachtengau Passau
Chiemgau Alpenverband für Tracht
Donau-Gau-Trachtenverband (Ingolstadt)
Trachtengau Niederbayern
Oberer Lechgau Verband
Altbayrisch-Schwäbischer Gauverband
Isargau (München)
Volkstrachtenvereine links der Donau (Donau-Ries und Mittelfranken, mit Sitz in Nürnberg)
Rhein-Main-Gauverband
Allgäuer Gauverband
Heimat- und Trachtenvereinigung Huosigau (Dießen)
Lechgau Trachtenverband
Trachtengauverband Oberfranken
Oberlandler Gauverband (Region Bad Tölz, Tegernseer Tal, Miesbach)
Gauverband 1 Traunstein
Gredinger Trachtenmarkt – alles in Sachen Tracht
Der Gredinger Trachtenmarkt hat sich zu einem großen Ereignis in Sachen Trachten bis über die bayerischen Grenzen hinaus entwickelt. Er gilt mittlerweile als die größte überregionale Trachten-Fachmesse Deutschlands. Der Trachtenmarkt findet jährlich am ersten Wochenende im September in Greding, Mittelfranken, auf dem Marktplatz statt.
Start für den Gredinger Trachtenmarkt war das Jahr 1994. Seitdem hat sich der Gredinger Trachtenmarkt weiter entwickelt; mittlerweile besuchen an die 10.000 Trachteninteressierte diese Veranstaltung. An die 100 Aussteller aus Deutschland und dem Ausland bieten Trachten wie Dirndl, Lederhosen, Jacken und Janker, Trachtenhemden, Kotzen, usw. an. Auch Trachten-Accessoires wie Gürtel, Hüte, Hauben, Gambsbärte, Schmuck, Schuhe und Stutzen können dort gekauft werden. Wer sich selbst an die Herstellung einer Tracht wagt oder eine Schneiderin damit beauftragen will, findet hierfür ebenfalls alles Nötige: Stoffe für Trachten, Leder, Knöpfe, Spitzen und mehr. Die für die eigene Herstellung von Trachten benötigten Schnittmuster können auch auf dem Markt erworben werden; Trachtenverbände bieten entsprechende Vorlagen und Handarbeitsmuster an.
Auf dem Markt informieren Trachtenberater und Heimatpfleger über alte und auch neue regionale Trachten; die unterschiedlichen Bezirke informieren über Trachtenpflege und Trachtenforschung.
Des weiteren finden etliche Vorführungen bzw. Kurse statt, die sich mit der Herstellung von Trachten beschäftigen; der Besucher kann z.B. etwas über das Klöppeln, Sticken, Federkielsticken, Filzen, Weben und Gamsbartbinden lernen.
Jedes Jahr stellt eine Gastgruppe aus Europa auf dem Trachtenmarkt ihre regionale Tracht vor. Der Markt hat auch jedes Jahr ein Schwerpunktthema, wie z.B. Trachten bei Hochzeiten oder ein Motto wie “geblümt/kariert“.
Natürlich werden auf dem Gredinger Trachtenmarkt auf der Bühne auch Trachtenvorführungen angeboten. Auch die Volksmusik und der Volkstanz kommen nicht zu kurz und für das leibliche Wohl wird bestens gesorgt.
Veranstalter des Gredinger Trachtenmarktes ist die Stadt Greding in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesverein für Heimatpflege und dem Bezirk Mittelfranken.
Weitere Informationen unter Bayerischer Landesverein für Heimatpflege
Weiterführende Links zum Thema Tracht in Bayern
Bayerischer Trachtenverband e.V.
Bayerischer Trachtenverband
unter dem Link „Trachtenpflege und Trachtenforschung“ finden Sie weitere Informationen.
Bayerischer Trachtenverband Trachtenkulturmuseum
Hier ist die Plattform des Trachtenkulturmuseums
Deutscher Trachtenverband e.V.
Deutscher Trachtenverband
Trachteninformationszentrum im Bezirk Oberbayern
Michael-Ötschmann-Weg 2
83671 Benediktbeuern
Trachteninformationszentrum
Im Trachteninformationszentrum sind über 20.000 Bilder und 4000 Original-Kleidungsstücke aus unterschiedlichen Epochen zu sehen. Außerdem ist eine umfangreiche Bibliothek vorhanden. Das Zentrum in Benediktbeuern gilt weltweit als einzigartig.
Hier finden Sie u.a. unter dem Link „Trachten-Kontor“ Adressen der Handwerker, die sich auf die Herstellung und den Verkauf von Trachten und deren Zubehör spezialisiert haben, wie z.B. Haubenmacherinnen, Federkielstickereien, Hornmacher, Hutmacher, Schuhmacher, Restaurierer und natürlich Hersteller von Lederhosen (Säcklermeister) und Dirndln.
Trachtenforschungsstelle MittelfrankenTrachtenforschung
Bauernmuseum Bamberger Land
Trachtenberatung Oberfranken
Buchtipp: Aus Lieb zum Gebirg: Trachtenvereine im Allgäu (Anzeige*)